Smart Home – nur eine fernsteuerbare Glühbirne oder doch mehr?
Für viele ist der Einstieg in das schlaue Zuhause ein Starterpaket mit einer Bridge und zwei Birnen die Licht ins zu Hause bringen. Die Birnen sprechen mit der Bridge und diese übersetzt, um die Lichter mit dem Smartphone zu steuern. Aber ist das wirklich smart? Statt den Lichtschalter zu betätigen, kann man jetzt sein Smartphone rauszücken, entsperren, die App suchen, warten bis die App geladen hat und dann die Birne ausschalten. Ein wirklicher Komfortgewinn ist das nicht. Diese und viele andere Probleme werde ich in diesem Blogartikel thematisieren – und wie man sie unter anderem mit Home Assistant lösen kann.
Standards
Nicht jedes Gerät kommuniziert mit der gleichen Sprache, es gibt unterschiedliche Protokolle und Spezifikationen über die Smart-Home-Geräte miteinander funken. Die bekannteste ist sicher Zigbee (z.B. Philips Hue), aber es gibt auch bspw. Z-Wave oder herstellerspezifische Standards, wie bspw. von Homematic.
Jedes System hat seine Vor- und Nachteile. Wer eine möglichst große Auswahl an Geräten haben möchte, greift am besten zum Standard Zigbee. Dieses bietet auch den Vorteil eines Mesh-Netzwerkes, das bedeutet, dass die Zigbee-Geräte auch eine Repeater-Funktion übernehmen und so die Reichweite des Netzwerkes vergrößern.
Ebenfalls Mesh beherrscht der Standard Z-Wave und bietet gleichzeitig auch eine höhere Stabilität. Die Geräteauswahl ist aber kleiner, als bei Zigbee.
Herstellerspezifische Standards wie von Homematic oder Bosch sollte man meiden, wenn man sich nicht auf einen Hersteller festlegen möchte. Allerdings bieten gerade diese Hersteller Geräte an, von denen es wenige Alternativen gibt mit anderen Standards.
Alle oben genannten Standards sind ebenfalls darauf ausgelegt energiesparend zu sein, um auch in Geräte mit Batterien oder Akkus verwendet werden zu können.
Die von Smartphones bekannten Funktechnologien wie WLAN oder Bluetooth sind auch in Smart-Home-Geräten zu finden. WLAN bietet den Vorteil, dass man keine Bridge braucht, allerdings kann es die Netzwerkgeschwindigkeit beeinträchtigen, wenn man viele WLAN-Geräte im Netzwerk hat. Bei Bluetooth gibt es oft Probleme mit der Verlässlichkeit und der Reichweite, weshalb man lieber auf andere Standards setzen sollte.
Bridges
Man hat jetzt die Geräteauswahl der einzelnen Standards studiert und entscheidet sich bspw. für Zigbee, weil die Geräteauswahl zu den Anforderungen passt und kauft sich die Philips Hue Bridge. Die im Starterpaket mitgelieferten Birnen lassen sich ohne Probleme einbinden, die Zigbee-Birnen eines anderen Herstellers, die man im Internet erworben hat, auch. Jetzt entschließt man sich aber ein Zigbee-Thermometer benutzen zu wollen und stellt fest, das lässt sich nicht mit der Bridge koppeln.
Leider ist es so, dass viele Hersteller von Bridges die Arten von Geräten, welche sich koppeln lassen, stark einschränken, wenn nicht sogar nur eigene Geräte verbinden lassen können.
Die meisten Bridges von Leuchtmittelanbietern lassen so gut wie alle Leuchtmittel zu, welche den Standard sprechen, aber dabei können nur ihre eigenen Schalter oder Bewegungssensoren verwendet werden. Geräte außerhalb der Kategorie Licht, Bewegungssensoren und Schalter sind nicht koppelbar.
Die Lösung für dieses Problem sind Bridges, welche den Standard funken, aber herstellerunabhängig viele Geräte unterstützen. Von diesen Bridges gibt es Angebote von Komplettpaketen, welche auch von Laien genutzt werden können (z.B. Homee), bis Bastellösungen die bspw. einen Raspberry Pi benötigen (RaspBee/CC2531).
Geräte
Wie bei allen Dingen gibt es qualitative Unterschiede zwischen Smart-Home-Geräten aller Hersteller, aber auch Funktionale, welche man beachten sollte, wenn man die gleiche Klasse von Produkten verschiedener Hersteller nutzen möchte. Lampen, welche die Lichttemperatur einstellen können, sind zum Beispiel nicht gleich. Was bei der einen LED-Birne 2700k ist, ist bei anderen heller oder dunkler, deswegen sollte man darauf achten, in einem Raum, den man gleichmäßig mit mehreren Leuchtmitteln beleuchten möchte, die gleichen Leuchten einzusetzen oder zumindest vom selben Hersteller.
Auch bei Binärsensoren, die einen Zustand wahrnehmen, wie bspw. Bewegungssensoren, Wasserlecksensoren oder Vibrationssensoren, können unterschiedliche Verhaltensweisen aufweisen. So haben verschiedene Bewegungssensoren unterschiedliche Zeiten bis sie erneut Bewegung erkennen können. Dies kann sich von 30 Sekunden bis 2 Minuten erstrecken.
Home Assistant
Home Assistant ist ein 2013 gestartetes quelloffenes Projekt zur Heimautomatisierung. Es soll als Zentrale im Smart Home agieren und legt großen Wert auf lokale Steuerung und Unabhängigkeit von der Cloud und externen Diensten.
Die Basisfunktionen beinhalten Erstellung nützlicher und funktionaler Dashboards, Einrichtung von Automatisierungen und Szenen, sowie die Einbindung vieler anderen Dienste. Im letzten Punkt liegt auch die Stärke von Home Assistant, momentan kann man offiziell 1886 Dienste einbinden (u.a. Philips Hue, Alexa, Sonos, HomeKit etc.) die dann miteinander kommunizieren können. Dank Community-Addons lassen sich auch noch viele weitere Geräte einbinden.
Um HomeAssistant nutzen zu können, braucht man einen dauerhaft laufenden Server im Netzwerk, beispielweise einen Raspberry Pi. Nach der Installation scannt Home Assistant das Netzwerk auf Geräte, welche sich einbinden lassen. Auch wenn man nicht bewusst Smart-Home-Geräte gekauft hat, findet Home Assistant beim Scannen in den meisten Fällen schon Geräte, von denen man nicht erwartet hat, dass sie im Smart Home sinnvoll sind. Das ist zum Beispiel der Drucker, der seinen Tonerstand als Sensor einbindet, die FRITZ!Box bei der man als Schalter das Gäste-WLAN an- und ausschalten kann und vieles mehr.
Auch viele Geräte, die normalerweise eine Cloud-Verbindung brauchen, lassen sich mit Home Assistant innerhalb des eigenen Netzwerkes verwalten, Infos dazu findet man auf der Seite der jeweiligen Integration. Möchte man Home Assistant auch von außen erreichen, kann man es entweder per VPN freigeben (AddOn: WireGuard) oder auch per ReverseProxy (AddOn: NGINX).
Tipps und Tricks
Da Home Assistant ein wirklich großes Tool ist, welches einem alles ermöglicht, was einem in den Sinn kommt, gebe ich im Folgenden ein paar Tipps und Tricks. Was kann mit Home Assistant alles realisieret werden?
Nutze keine Herstellerbridge
Die im Absatz „Bridges“ erwähnten Funk-USB-Sticks lassen sich direkt an den Home Assistant Server anschließen und dann mit einem AddOn verwalten. Die gekoppelten Geräte werden dann auch direkt in Home Assistant importiert und können von dort gesteuert werden.
Geld sparen, dank Herstellerunabhängigkeit
Wenn man einen Funk-USB-Stick hat, kann man sich aussuchen, welche Geräte man miteinander sprechen lassen möchte und ist nicht auf den Hersteller angewiesen, dass die Geräte miteinander sprechen. Der Lichtschalter von Ikea kann nun mit den Lichtern von Philips sprechen, die eine Lampe passt besser in den Raum, ist allerdings nicht vom Hersteller des Bewegungssensors? Kein Problem, können trotzdem miteinander interagieren.
Ein Lichtschalter kann auch die Musik steuern
Man hat einen Funklichtschalter, auf dem sind auch Symbole für Heller und Dunkler aufgedruckt, aber möchte damit eigentlich die Lautstärke der Musikbox einstellen? Kein Problem, für Home Assistant ist ein Schalter einfach nur ein Signal was ankommt, was man damit macht, kann man selbst entscheiden.
Lichtschalter sind böse, Funkschalter sind gut
Wenn man die Behausung mit schlauen Lampen ausgestattet hat, sind die Lichtschalter zu einem gemiedenen Objekt geworden, denn sie kappen die Stromverbindung und damit die Möglichkeit die Lampe mit Home Assistant zu bedienen. Allerdings sollte man das Schalter an sich nicht vernachlässigen. Durch Funkschalter, welche es im mittleren einstelligen Eurobetrag gibt, kann man Orte mit Interaktionsmöglichkeiten ausstatten, die sonst nicht die Möglichkeit hätten. Wie wäre es also mit einem Schalter am Sofa, der automatisch das Licht dimmt, die Rolladen herunterfährt und den Fernseher anschaltet? Oder ein Schalter in der Küche, der die Dunstabzugshaube anschaltet und die Musik startet? Schalter bieten damit die Möglichkeit eine Reihe von Automatisierungen zu starten, die man häufig an einem Ort braucht, ohne das Smartphone herausholen zu müssen.
Selber basteln
Manchmal möchte man ein ausrangiertes Gerät wieder flott und WLAN-fähig machen. Dazu nutzt man oft Entwicklungsboards wie ESP8266 oder ESP32. Dank dem AddOn ESPhome gibt es eine Möglichkeit, die Geräte dann per Home Assistant einzubinden und zu konfigurieren.
Schlusswort
Seitdem ich bei mir Home Assistant 2018 eingerichtet habe, kamen monatlich neue Feature-Updates hinzu. Meine Wohnung hat von außen betrachtet wahrscheinlich mehr Sensoren als eine Boeing 747 😉 Die Anzahl der Geräte steigt allgemein einfach stetig. Ich bin gespannt auf das was in der Welt der Heimautomatisierung zukünftig kommen und was noch möglich sein wird – Matter sei hier als Stichwort genannt.
Photo by Sebastian Scholz (Nuki) on Unsplash
weitere interessante Artikel:
Entwicklung von Alexa Skills
Von Sensordaten zu gezielten Erkenntnissen
Sicherheit hat auch bei Daten und Informationen Vorfahrt
Systemadministration