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Geodaten

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Geodaten – Wo ist die nächste Tankstelle? Was ist die schnellste Route von meinem Standort aus nach Berlin? Wie sieht mein Wohnort eigentlich von oben aus?

Fragen, für deren Beantwortung vor einigen Jahren noch Interviews ortskundiger Personen, Studien analoger Karten oder manuelle Recherchen notwendig waren, können heutzutage mit einem kurzen Blick aufs Smartphone geklärt werden: Dank Applikationen wie z.B. Google Maps sind räumliche Informationen in unserem Alltag allgegenwärtig und kaum mehr wegzudenken.

Die zur Realisierung derartiger Dienste notwendigen Geodaten besitzen im Gegensatz zu herkömmlichen Informationen jedoch einige Besonderheiten, die bei ihrer Verarbeitung und Interpretation berücksichtigt werden müssen. Dieser Artikel erläutert, warum Koordinaten nicht gleich Koordinaten sind und warum jede Karte, egal ob digital oder analog, Fehler enthält.

 

Koordinaten: Eindeutig uneindeutig

52°15’19.3″N 10°31’04.0″E

Koordinaten nach obigem Schema und dargestellt in Grad, Minuten und Sekunden sind weit verbreitet und häufig anzutreffen. Die Frage, zu welcher Position die obigen Koordinaten gehören, lässt sich schnell beantworten: Sie entsprechen laut Suche in Google Maps unserem Büro in Braunschweig.

Die Einfachheit der Suche lässt uns dabei schnell vergessen, dass zur Interpretation von Koordinaten das zugehörige Koordinatensystem bekannt sein muss. Andernfalls fehlt das Bezugssystem, innerhalb dessen die Koordinaten erhoben wurden und gültig sind.
Neben den klassischen und aus dem Mathematikunterricht bekannten kartesischen Koordinatensystemen, gibt es dabei auch weitere, weniger bekannte Koordinatensysteme. Das exemplarische Koordinatenpaar stammt beispielsweise aus einem ellipsoiden Koordinatensystem, welches den Globus als dreidimensionales Ellipsoid abbildet (die Erde ist zu den Polen hin leicht abgeflacht und daher keine „perfekte“ Kugel).

Darüber hinaus muss auch das Koordinatensystem selbst mit der Erde in Bezug gesetzt werden, um die Koordinaten nicht nur innerhalb des Koordinatensystems, sondern auch auf der tatsächlichen Erdoberfläche zuweisen zu können. Den Parametersatz, der den geographischen Bezug des Koordinatensystems zur Erde definiert, bezeichnet man als geodätisches Datum. Das Datum definiert beispielsweise den Ursprung sowie die Achsenorientierung des Koordinatensystems in Bezug auf den Erdkörper. Die Kombination aus Koordinatensystem und Datum bezeichnet man als Koordinatenreferenzsystem (bzw. Koordinatenbezugssystem (KBS)). Erst dieses ermöglicht eine eindeutige Zuordnung geographischer Koordinaten zu einem konkreten Ort auf der Erde.

Warum nun hat die Eingabe der obigen Koordinaten in Google Maps ohne weiterführende Angaben zum KBS dennoch funktioniert?

Die Antwort: Mit dem WGS84-Koordinatenreferenzsystem existiert ein globales Bezugssystem, welches in unspezifischen Applikationen häufig Anwendung findet, so auch in Google Maps. Da es jedoch den gesamten Globus abbildet, ist es nicht für präzise Messungen, Berechnungen, etc. geeignet, weshalb Fachanwender im professionellen Bereich auf lokal angepasste Koordinatenreferenzsysteme zurückgreifen.

Lokale Anpassungen eines ellipsoiden Koordinatensystems an die Erdoberfläche

Abbildung 1:  Lokale Anpassungen eines ellipsoiden Koordinatensystems an die Erdoberfläche (angelehnt an: Datums and map projections for remote sensing, GIS, and surveying (S.23), von J. Iliffe, 2000, CRC Press.

 

Hierzu ein kleines Beispiel:
Die obige Darstellung zeigt exemplarisch ein global angepasstes Ellipsoid (schwarz, bspw. WGS84) sowie ein weiteres Koordinatensystem, welches durch eine Veränderung des geographischen Datums an zwei unterschiedliche Regionen auf der Erdoberfläche angepasst wurde (blau und gelb, die gleichfarbigen Pfeile markieren die entsprechenden Regionen, für die die Anpassung erfolgte). Das verwendete Ellipsoid ist zwischen dem blauen und gelben Szenario dabei identisch, beide Anpassungen verwenden somit dasselbe Koordinatensystem (das Ellipsoid), unterscheiden sich jedoch in ihrem Datum. Es ist offensichtlich, dass im gelben System erhobene Koordinaten nicht einfach im blauen System abgelesen werden können, um die ursprüngliche Position auf der Erdoberfläche zu erhalten. Dies verdeutlicht: Ansonsten identische Koordinaten referenzieren abhängig von ihrem Bezugssystem unterschiedliche Positionen auf der Erdoberfläche.

Aus Drei mach Zwei: Kartenprojektionen

Neben der erforderlichen Kenntnis des Bezugssystems, ergibt sich bei der Darstellung räumlicher Informationen als (analoge oder digitale) Karte, eine weitere Herausforderung: Die dreidimensionale Erdoberfläche muss auf eine zweidimensionale Ebene abgebildet werden, was jedoch nicht ohne Informationsverlust möglich ist. Den zugrundeliegenden Prozess bezeichnet man dabei als (Karten-) Projektion. Für die Projektion aus dem drei- in den zweidimensionalen Raum, gibt es dabei zahlreiche Möglichkeiten. Jede zweidimensionale Karte basiert daher auf einer Projektionsvorschrift, die die Überführung der Informationen vom dreidimensionalen Raum in eine Ebene definiert.

Nachstehende Abbildung veranschaulicht beispielhaft verschiedene Projektionen auf Basis derselben Datengrundlage.

Abbildung 2: Verschiedene Kartenprojektionen © OpenStreetMap-Mitwirkende

Da eine Projektion nicht ohne Informationsverlust und damit einhergehenden Verzerrungen erfolgen kann,
sind alle Projektionen und damit auch alle Karten, zwangsläufig fehlerhaft.
Durch die Auswahl einer geeigneten Projektionsmethode können jedoch bestimmte Eigenschaften
der Eingangsdaten erhalten werden, diese sind:

  1. Winkeltreue
    (konforme Abbildung,
    Winkel bleiben erhalten)
  1. Flächentreue
    (äquivalente Abbildung, Flächen werden dem Maßstab entsprechend
    korrekt abgebildet)
  1. Längentreue
    (äquidistante Abbildung, einige Strecken
    entlang einer Richtung bleiben erhalten)

Es ist leider nicht möglich, alle drei Eigenschaften zu erhalten, weshalb viele Projektionen so definiert sind, dass sie zumindest eine dieser Eigenschaften möglichst exakt wiedergeben. Auch hier sei wieder auf Google Maps hingewiesen, welches eine winkeltreue Projektion verwendet, bei der Objekte mit zunehmender Nähe zu den Polen hin vergrößert dargestellt werden. Diese Tatsache wird deutlich, wenn man in der Webapplikation die Flächen von Grönland und Afrika vergleicht: Die Flächen sind in der Kartenansicht ähnlich groß – tatsächlich ist die Fläche Afrikas aber ca. 14-mal größer als die Fläche Grönlands (vgl. Abbildung 2)!

Da winkeltreue Abbildungen aber die Formen von Straßenverläufen, Gebirgen etc. realitätsgetreu wiedergeben, sind sie besonders häufig anzutreffen, z.B. in Form von Wanderkarten oder dem digitalen Kartenmaterial von Navigationssystemen.

Geodatenbanken

Auch bei der Speicherung räumlicher Informationen müssen deren besondere Eigenschaften berücksichtigt werden. Für diesen Zweck werden Geodatenbanken, wie z.B. PostgreSQL/PostGIS oder Oracle Spatial, eingesetzt. Diese stellen spezielle Datentypen für die Speicherung von Geodaten bereit und erlauben das Persistieren von Geoobjekten innerhalb einer entsprechenden Tabellenspalte. So können Vektordaten wie z.B. Punkte, Linien oder Polygone, aber auch Rasterdaten, z.B. Satellitenbilder, zusammen mit ihren zugehörigen KBS-Informationen in einer Datenbanktabelle abgelegt werden.

Geodatenbanken bieten darüber hinaus auch Möglichkeiten zur Durchführung räumlicher Operationen, wie z.B. räumlichen Berechnungen (bspw. Distanzmessungen) oder topologischen Abfragen (bspw. Überlappungsprüfungen).

Eine zusätzliche Besonderheit gegenüber herkömmlichen Datenbanken, ist die Möglichkeit der Anlage räumlicher Indizes zur performanteren Abfrage der räumlichen Informationen:
Da Geodaten entlang mehrerer Dimensionen indiziert werden müssen, bedarf es hierfür spezieller Indizierungsmethoden. In der Praxis ermöglichen räumliche Indizes beispielsweise die effiziente Abfrage aller Objekte innerhalb eines definierten Kartenausschnitts, unabhängig davon, ob es sich hierbei um Vektor- oder Rasterdaten handelt.

Standardisierter Zugriff auf Geodaten

Viele Geodaten sind frei zugänglich und können leicht über das Internet abgerufen und weiterverwendet werden. Insbesondere die von öffentlichen Stellen erhobenen Daten werden häufig in OpenData-Portalen zur Verfügung gestellt. Eine einfache Möglichkeit zum Abruf solcher Daten sind standardisierte Web Services, die vom Open Geospatial Consortium (OGC) spezifiziert werden. Insbesondere folgende OGC-Dienste sind dabei zu nennen:

  • Web Map Service (WMS)
    Gibt eine gerenderte Karte der gewünschten Daten eines zuvor festgelegten Gebiets zurück.
  • Web Map Tile Service (WMTS)
    Vergleichbar mit einem Web Map Service, ein WMTS gibt jedoch Kartenkacheln zurück.
  • Web Feature Service
    Gibt die gewünschten Vektordatensätze für ein zuvor festgelegtes Gebiet zurück.

Neben den o.g. Diensten gibt es noch weitere, die u.a. auch die Durchführung räumlicher Berechnungen via Web Service bereitstellen.

Mithilfe einer entsprechenden Desktop-Software (z.B. QGIS) oder einer Software-Bibliothek (Geotools (Java), OpenLayers oder Leaflet (JavaScript)) lassen sich mithilfe o.g. Dienste externe Geodaten leicht in die eigene Arbeitsumgebung/Applikation einbinden. Umgekehrt können aber auch entsprechende Geo-Server selbst aufgesetzt werden, um eigene Daten via OGC Web Services bereitzustellen.

Im Java-Umfeld ist hier insbesondere die Open Source Software GeoServer zu nennen, welche verschiedene Geodatenquellen einbinden und deren Daten zentralisiert bereitstellen kann. Der ebenfalls integrierte Cache bietet dabei u.a. die Möglichkeit, Kartenkacheln für den späteren Abruf vor zu generieren, sodass sie anschließend nur noch vom Client heruntergeladen werden müssen. Dies ermöglicht deutlich kürzere Antwortzeiten des Servers, da der Aufwand für das Rendering zum Zeitpunkt des Abrufs entfällt.

Von Tobias Brüggentisch | 20.07.2022
Tobias Brüggentisch

Softwareentwicklung